Betrachtungen zum Zeitgeschehen


    

6. Anforderungen an die Fähigkeiten von Politikern

2002 wurden in der einen oder anderen Illustrierten so etwas wie Zeugnisnoten für deutsche Politiker, insbesondere Bundesminister erteilt. Dabei zeigte sich, daß in Wirklichkeit keine ausreichenden bzw. nachprüfbaren Maßstäbe existierten. Auch eine entsprechende Nachfrage bzw. Anregung an Politikwissenschaftler zu diesem Thema ergab keinerlei Ergebnisse. Das Thema existiert bis heute wissenschaftlich so gut wie nicht, obwohl das Schicksal der Länder mit davon anhängt. Es gibt keine klaren "Stellenbeschreibungen" mit entsprechenden "Einstiegsvoraussetzungen" für Politiker (auch wenn im Einzelfall gewisse Ausbildungen vorliegen können (z.B. juristische oder Verwaltungserfahrung usw.). 

a.) Umso mehr spielen informelle, also inoffizielle, unausgesprochene Voraussetzungen eine Rolle, z.B. Parteizugehörigkeit bzw. Zugehörigkeit zu einer Gruppierung oder "Seilschaft" innerhalb der Partei, Protegierung durch Medien z.B. Wirtschaftsjournalisten - was wiederum die Zugehörigkeit zu einem wie auch immer definierten "Mainstream" voraussetzen kann. Soweit solche allgemeinen "Kriterien" erfüllt sind, werden in der klassischen Praxis unserer "Mediendemokratie" zusätzlich besonders die folgenden individuellen Fähigkeiten honoriert
- Redetalent. Es ist jedoch auch nicht eindeutig definiert, was das ist. D.h. diese Beurteilung kann auch herrühren von einem hohen Anteil billiger, aber bei Vielen "ankommender" Polemik, bis hin zur Demagogie, oder von der Fähigkeit, anderen das Wort trickreich im Munde herumzudrehen, Witze zu machen usw. Dementsprechend ist auch der Begriff "Charisma" nicht eindeutig definiert.
- Durchsetzungsfähigkeit. Auch diese ist nicht definiert. D.h. es wird in der Regel die - vorwiegend Männern zugeschriebene, aber auch bei einigen Frauen vorkommende - Fähigkeit damit verbunden sein, sich sprichwörtlich mit den "Ellbogen" den Weg zu bahnen, Konkurrenten auszutricksen, usw.. Voraussetzung dafür ist ein stark ausgeprägtes Karrierestreben, und ein starker Egoismus. Das ist eines der größten unausgesprochenen Probleme der Politik. Denn durch diese allgemein üblichen Gebräuche zogen die - auch für die Nöte ihrer Mitmenschen oder Mitgeschöpfe - Sensibleren, bzw. die mit Sachkenntnis rein inhaltlich Argumentierenden fast regelmäßig den "Kürzeren". Dies ist eindeutig zum Schaden der so verwalteten Menschen.
- Mediengerechte Selbstdarstellung. Darunter sind notwendige Fertigkeiten, aber auch dies fördert in der Praxis oft eine einseitige Auswahl von Politikern, deren Sachkompetenz eher beschränkt ist. Denn alle denkbaren Stärken gleichzeitig hat praktisch niemand.
- Allgemein "sympathisches Auftreten". Auch dies ist nicht definierbar. Manchmal können sich darin positiv empfundene Eigenschaften zeigen, aber auch pure Stimmungen - die auch manipulierbar sind, und die sich auf die Politik und Gesellschaft eher negativ auswirken. Herrscht gerade eine schlechte Stimmung, dann können plötzlich sogar pure Miesmacher sympathisch und brillant erscheinen.
- Der schlichte "Erfolg". Auch das - dies wird jetzt nicht mehr verwundern - ist nicht näher definiert. Es kann sich dabei teilweise um Entwicklungen oder Ereignisse handeln, die gar nichts mit dem betreffenden Politiker zu tun haben: das hauptsächlich vorkommende Beispiel ist eine weltweit gerade günstige "Konjunktur". (Oder eine ungünstige: dann hat die jeweilige Opposition Oberwasser.) 
In der Konsequenz kann gesagt werden, der herrschende Politikbetrieb liefert keine ausreichenden Voraussetzungen, aufgrund derer eine klare Auslese zu Gunsten der inhaltlich Fähigsten ablaufen könnte*). Das gilt keineswegs nur für Deutschland, sondern weltweit - selbstverständlich sind die erwähnten Faktoren wie eine nicht näher definierte "Durchsetzungsfähigkeit" in den weniger demokratischen Staaten der Erde noch viel schlimmer wirksam. 

b.) Was müßten nun aber die eigentlich wichtigen Fähigkeiten von Politikern, besonders Spitzenpolitikern sein?
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  Inhaltliche Kompetenz auf dem jeweiligen Sachgebiet, ausbildungsmäßig, wichtiger aber erfahrungsmäßig. D.h. aber auch, daß der übliche fast beliebige Wechsel von Ministern in andere Ministerien als reine Pöstchenverteilung in dem heutigen Maße nicht mehr möglich wäre.
-  Ein Kanzler/ Ministerpräsident muß auf mehreren Gebieten über eine ausreichende Kenntnis der hauptsächlichen Probleme und Auseinandersetzungen verfügen; d.h. er muß in der Lage sein, auf diesen Gebieten gezielt koordinierend eingreifen zu können, statt voll von irgendwelchen Ratgebern abhängig zu sein. Das heißt jedoch nicht, daß er bis in alle Einzelheiten in die Ministerien hineinregieren sollte. 
Dementsprechend auch die Fähigkeit, Verantwortung für das Land bzw. für seine Entscheidungen zu übernehmen.
-  Besonders beim Kanzler/ Ministerpräsidenten, aber letztlich auch bei sonstigem Führungspersonal die Fähigkeit, sich durch eine faire Moderation der verschiedenen Interessen Anerkennung zu verschaffen, statt zu quasi-diktatorischen Maßnahmen oder Tricks greifen zu müssen.
-  Fähigkeit, zuzuhören, und auch Andersdenkende verstehen zu wollen (aktive Toleranz). Damit in Verbindung die Fähigkeit, die eigenen Gedanken im Zaum zu halten, und nicht alles Schlechte in die Anderen hineinzudenken.
-  Fähigkeit zu eigenen, differenzierten Gedankengängen jenseits traditionell vorgegebener Denkschablonen.
-  Fähigkeit, diese Gedanken nachvollziehbar darzustellen, und mit der Bevölkerung im Dialog zu bleiben, statt "abzuheben".
Fähigkeit, auch gegenüber Interessengruppen und befreundeten ausländischen Mächten die Interessen der deutschen Bevölkerung hartnäckig und offen zu vertreten, statt Problemen auszuweichen.

Zu bewerten, wie sehr das alles fehlt, und wo jeweils, können wir den Lesern überlassen.

*) Natürlich ist auch z.B. die Eigenschaft als Mann oder Frau meist kein besonders hilfreiches Kriterium in dieser Frage. Inhaltlich kompetente Frauen würden in der Regel nicht daran appellieren, speziell wegen ihrer Eigenschaft als Frau in ein Regierungsamt gewählt zu werden. Es hat trotzdem einen Sinn, daß - ausgehend von den Grünen, dann auch bei anderen Parteien - vermehrt darauf geachtet wurde, daß bei der Ämterbesetzung Frauen in ausreichendem Maße mitberücksichtigt werden. Wobei zu wünschen wäre, daß Frauen in der Politik nicht einfach die Machtspiele der Männer kopieren, was öfter geschehen ist. Bei einigen Ämtern ist allerdings zu bedenken, daß bestimmte ausländische Mächtige samt ihren Diplomaten starke, trainierte und immer aggressiver auftretende Männer sind, sodaß diesen gegenüber auch ein starker Mann besser geeignet sein könnte, wenngleich er nicht die bornierten Allüren der betreffenden ausländischen Diplomaten übernehmen muß.

Aktuelle besonders problematische Eigenschaften von Politikern.

Siehe außerdem die Seite "Worauf im Wahlkampf zu achten wäre"

 


Neu: Anwendung der oben (b.) erklärten positiven Merkmale auf einige deutsche Politiker auf Bundesebene (verbessert):
- Entwicklung, wie sie bis zum 5.9.05 erkennbar wurde, incl. Verhalten in der Partei oder vorherigen Ämtern -
1 (sehr gut), 2 (gut), 3 (befriedigend), 4 (ausreichend), 5 (mangelhaft), 6 (ungenügend), leer = wegen anderer Funktion nicht bewertet. Da die Tätigkeiten nicht immer vergleichbar waren, sind die Einstufungen, vor allem die Gesamtwertung nur eingeschränkt gültig - besonders bei Politikern, die nur auf Landesebene tätig waren.

  Einfache bzw. mehrfache Sach- Kompetenz (negativ: viel Worte mit wenig Inhalt) Verantwor- tungs- übernahme (negativ: z.B. Abschieben der V. auf 'Experten') Anerkennung durch faire Moderation (negativ: "Ellbogen- methoden") Aktive Toleranz, (negativ: Desinteresse an Positionen Anderer oder an gesellschaftl. Diskussionen) Differenziertes Denken (negativ: Lagerdenken) Standhaftigkeit in der Außenpolitik (negativ: Bevorzugung der puren Bündnislogik) Gesamt- bewertung (Durchschnitt) Zum Vergleich: Gesamt- bewertung nach klassischen, unscharfen Kriterien (s. oben a.)
                 

Ein Stand der Bewertungen von einzelnen Politikern wird hier nicht mehr veröffentlicht.

Insgesamt ist zu sehen, daß es mit der Qualifikation von Politikern nicht zum Besten steht. Allerdings zeigte - darauf sei hier nur hingewiesen - schon eine erste Sichtung der Lage in anderen Staaten, daß es dort meist nicht besser, teils sogar noch erheblich schlechter aussieht. Es geht hier nicht um Kritik an Einzelnen, oder an Deutschland, sondern um die Erarbeitung von fundierten Bewertungskriterien für Politiker bzw. Kandidaten, die bisher schlicht nicht existierten. Diese Bewertung persönlicher Fähigkeiten in Bezug auf die politischen Aufgaben ist zu unterscheiden von einer Bewertung der politischen Leistung einer Partei oder Koalition.

Manchmal gibt es in den unteren Rängen der Parteien oder auch außerhalb der Parteien Leute, die eher die meisten Kriterien erfüllen könnten.

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