Betrachtungen
zum Zeitgeschehen
Wahlauswertung
der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 27.3.2011
Eine Landtagswahl ist für die Wähler/ innen zwar keineswegs ein Ersatz für eine wirkliche Volksabstimmung, die in Baden-Württemberg noch extrem erschwert ist, und die dringend so geregelt werden müßte, daß sie praktisch durchführbar wird.
Dennoch hat bei dieser Wahl die Problematik der Atomenergie
eine wahlentscheidende Rolle gespielt. (Vor der Wahl wurde von den verschiedenen
Parteien geäußert, die Wahl sei eine Art Volksabstimmung über die
Atomenergie.)
Deren Gefährdungspotenzial war durch die Katastrophe in Japan für Viele etwas
deutlicher geworden, obwohl unabhängig Informierte diese Risiken seit
Jahrzehnten kennen. Nicht die Ereignisse in Japan selbst, sondern die
zögerliche und wenig glaubwürdige Reaktion der vorher extrem
atomenergiefreundlichen baden-württembergischen Landesregierung und der
Bundesregierung waren der letzte Anlaß für den Zuwachs der Bündnisgrünen.
Diese gelten auf diesem Gebiet seit jeher als kompetent.
Daraus folgt auch ein Auftrag an eine Regierungskoalition der Bündnisgrünen
mit wem auch immer, daß Baden-Württemberg alle Schritte ergreifen muß, die es
im Rahmen seiner beschränkten Zuständigkeiten ergreifen kann, um alle
Atomkraftwerke des Landes und an den Landesgrenzen möglichst schnell abschalten
zu können. Würden CDU und FDP das bekämpfen, würden sie ihre
Glaubwürdigkeit auf diesem Gebiet noch mehr verlieren; sie könnten die
laufenden Untersuchungen nutzen, um eine eigene atomkritischere Haltung zu
begründen, und um z.B. marktwirtschaftlich wirksame Maßnahmen - wie eine
Abschaffung der Staatshaftung für Atomkraftwerke - zu fordern.
Auch in der vorausgegangenen Diskussion über Stuttgart 21 galten die
Bündnisgrünen bei vielen der Gegner des gigantischen Bauprojekts als besonders
glaubwürdig, da sie auch inhaltlich gegen das Projekt waren. Auch hier wurde
von verschiedenen Seiten behauptet, die Landtagswahl sei eine Volksabstimmung
über dieses Projekt.
Grüne und die SPD hatten gemeinsam, daß sie eine Volksabstimmung zu dem Thema
durchführen lassen wollten. Aber auch jede andere Koalition - auch CDU-Grüne
oder CDU-SPD - stünde nun berechtigtermaßen unter dem Erwartungsdruck, eine
solche Volksabstimmung durchführbar zu machen, was sie durch Landtagsbeschluß
im Unterschied zu allerlei spitzfindigen Behauptungen sehr wohl kann. Die im
Zusammenhang mit Stuttgart 21 und - schon vor Japan - durch den wieder
gewachsenen Widerstand gegen Atomkraftwerke sichtbar gewordene
Demokratiebewegung wird sich nicht mit politischem Theaterdonner abspeisen
lassen, sie will von den Politikern effektiv mehr von ihren Bürgerrechten
zurück haben, die ihr nach dem Grundgesetz zustehen. Die CDU und FDP werden
sich den steigenden Demokratieanforderungen der Bürger/innen stellen müssen,
statt weiterhin die allgemein gewünschten direktdemokratischen Rechte klein
halten zu wollen.
Die Finanzpolitik und Wirtschaftspolitik - etwa Befürchtungen, die
SPD oder etwas weniger die Grünen könnten die Bürger noch stärker durch
Steuern und Bürokratie belasten, als es heute schon der Fall ist, war zuletzt
in den Medien durch die anderen Themen verdrängt. Sie hat aber sehr wohl für
sehr Viele eine starke Rolle gespielt. Daher ist die CDU nach wie vor stärkste
Partei im Land geworden, und daher ist auch der geschwächten FDP doch noch der
Einzug in den Landtag geglückt, während die LINKE draußen blieb.
Die Bürger/innen im fleißigen Baden-Württemberg usw. wollen nicht für die
Schlamperei in-und ausländischer Schuldenmacher zur Kasse gebeten werden. Eine
neue Regierung wird daher gut tun, die Wahl nicht fälschlich so auszulegen, als
habe sie damit einen Freibrief für die Umsetzung aller Steckenpferdchen aus
Parteiprogrammen. Fast niemand wählt eine Partei noch wegen all ihrer
Programmpunkte, sondern oft nur wegen einem Punkt oder allenfalls 30% der
Punkte. Eben deswegen ist ja eine Ergänzung der Wahlen durch Volksabstimmungen
ähnlich wie in der Schweiz so notwendig geworden. Die CDU und die FDP könnten
weiterhin gegen die heute schon zu hohen Steuern und andere Lasten arbeiten; die
FDP besonders auch auf Datenschutz und weitere Freiheitsrechte achten.
Ähnliches gilt auch für die Bildungspolitik. In Baden-Württemberg
wird das dreigliedrige Schulsystem meist noch stärker als von den Hamburgern
als bewährt und sinnvoll geschätzt. Wer immer es auflösen wollte, müßte
sich auf eine massive Gegnerschaft gefasst machen. Auch das war mit ein Grund,
warum doch noch relativ Viele die CDU gewählt haben.
So fordern die Bündnisgrünen auch gar keine zwingende Gesamtschule, sondern
sie wollen solche Schritte, wo sie gewünscht werden, den örtlichen
Schulträgern und den Eltern überlassen. Also wird das wohl kein derart
beherrschendes Chaosthema werden wie in Hamburg, egal wie die Regierung gebildet
wird. Die Opposition könnte weiterhin ein waches Auge auf diese Themen werfen.
Zur früheren Landtagswahl in Baden-Württemberg 2006 gab es einen Vergleich der Wahlprogramme, der für 2011 nicht in dieser Form fortgeführt wurde.
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