1. Die jetzige Situation der
Krankenversicherungen:
Die Große Koalition hatte wegen des schon vor der Finanzkrise kaum mehr
finanzierbaren, und nicht konkurrenzfähigen Zustandes des gesetzlichen
Krankenkassensystems Schritte unternommen, die die gesetzlichen und die privaten
Krankenversicherungen einander leicht annähern. Übergangsmöglichkeiten für
eine leider nur beschränkte Zeit zu Privatkassen wurden geschaffen, in Form des
allerdings überteuerten "Basistarifs". Bei den gesetzlichen Kassen
wurden ergänzende Wahltarife geschaffen, die den entsprechenden Möglichkeiten
bei privaten Kassen ähneln. Allerdings wurde dabei die Möglichkeit, einen
Naturheilkundetarif anzubieten, nur als Möglichkeit geschaffen, und leider
nicht als Pflicht und daher bisher meist wirkungslos. (Viele gesetzlich
Versicherte haben daher private Zusatzversicherungen.) Zusätzlich wurde ein in
der heutigen Form umstrittener Gesundheitsfonds zum Ausgleich zwischen den
Kassen eingeführt. In dieser Konstruktion mit dem Fonds sah die SPD eine
Entwicklung zur "Bürgerversicherung" (s.u.) weiterhin offen, und die
CDU/CSU eine Entwicklung zum Gegenteil mit einer Kopfpauschale.
2. Zu den Vorschlägen in Richtung
"Bürgerversicherung" (Bundestagswahlprogramme von SPD, Die Linke,
Grüne seit 2009)
Nun wäre es durchaus überlegenswert, ob und wie weitere Schritte möglich
wären, das tendenziell bankrotte gesetzliche Kassensystem an die
wirtschaftlichere Arbeitsweise der Privatkassen anzupassen, bei gleichzeitiger
Erhaltung eines Solidarsystems; und private Kassen auch über die jetzigen
Termine hinaus dazu zu bringen, daß sie alle Patienten aufnehmen müssen, die
das wollen und können. Auch ist der Einstieg in eine Steuerfinanzierung der
gesetzlichen Kassen durchaus diskutabel.
a.) Aber einer dieser Vorschläge einer "Bürgerversicherung" wollte Alle - also auch die heutigen Privatversicherten - mit der alten
Beitragsbemessungsmethode der gesetzlichen Krankenkassen erfassen, also
entsprechend der gesamten Einkünfte der Betroffenen, statt der Methode der
Privatkassen (direkt entsprechend der gewünschten Arten der Risikoabsicherung,
Eintrittsalter u.dgl.). Zweck ist offensichtlich, die systembedingt maroden
gesetzlichen Kassen mit Geld der Privatversicherten etwas aufzupäppeln (wie
auch immer im Einzelnen der Geldtransfer vonstatten gehen soll). Daß das schon
rechtlich äußerst problematisch wäre, sofern diese Privatversicherten von
solchen (zusätzlichen?) Kosten davon nicht auch einen entsprechenden Nutzen
hätten, wurde offensichtlich nicht ausreichend bedacht.
b.) Ein neuerer solcher Vorschlag, von der SPD (Dezember
2011) verzichtet zwar auf diese - neben der Besteuerung nochmalige - Erfassung
von z.B. Kapitalerträgen und Mieteinnahmen für die Versicherungsbeiträge.
Aber er besteht aus einer Vorschrift des genannten einheitlichen Basistarifs
für alle Privatversicherten. Dies würde wohl bedeuten, die unfreiheitlichen
Gängelungen der Patienten durch das gesetzliche Kassensystem auch den
Privatkassen überzustülpen, und diese als solche praktisch abzuschaffen. Denn
dieses gesetzliche Kassensystem besteht nicht nur aus Honoraren für die Ärzte
und Arzneimittel, sondern auch aus einem Wust von sich laufend ändernden
Beschlüssen des "Gemeinsamen Bundesausschusses (der Ärzte und
Krankenkassen)", was von den Kassen finanziert werden muss und was nicht
(aber evtl. finanziert werden darf). Dieses Funktionärsgremium ist stark von
lobbyistischen / schulmedizinischen Anschauungen beeinflusst. Diesem unhaltbaren
Zustand entsprechend haben heute auch viele gesetzlich Versicherte private
Zusatzversicherungen. Daher gelten auch für dieses etwas abgemilderte Modell
die folgenden Kritikpunkte:
c.) Die Hauptsache, nämlich daß es bei den Privatkassen oft möglich ist -
und zwar wirtschaftlich für die Kassen -, eine Medizin finanziert zu bekommen,
die den Wünschen fast aller Bürger/innen entspricht, nämlich inclusive
verschiedener Naturheilverfahren bei Ärzten und Heilpraktikern ihrer Wahl,
wurde auch nicht bedacht. Ärzte für Naturheilverfahren setzen für Kranke
und Staatskasse am günstigsten, schon bei Funktionsstörungen mit gut
verträglichen Mitteln an, während die letzte Gesundheitsreform der
gesetzlichen Kassen im krassen Unterschied dazu geführt hat, daß solche
Versuche, Krankheiten im Frühstadium abzudangen, immer weniger von den Kassen
finanziert wurden, die dann, wenn der Patient dann ernsthaft klinisch krank
wurde, die teuren und nebenwirkungsreichen chemischen und apparatemedizinischen
Eingriffe finanzieren mußte: dieses Bankrott-trächtige Verfahren lt.
Sozialgesetzbuch ist langfristig - oder sogar schon kürzerfristig - durch
nichts mehr zu retten, auch nicht durch eine Umverteilung (s.oben a) oder
Gleichschaltung (siehe b) in Form einer
Bürgerversicherung.
d.) Dass die privat Versicherten teils gerade bewusst das bürokratische
von der jeweiligen Politik abhängige gesetzliche Kassensystem verlassen haben,
hat offenbar ebenfalls nicht interessiert.
e.) Die Abhängigkeit der sich ändenden Details der gesetzlichen Versicherung
von verkrusteten Kassen- und Ärztefunktionärsgremien ist als Problem ebenfalls
nicht aufgegriffen worden.
f.) Auch daß die Bürgerversicherung, wenn sie heute in Deutschland eingeführt
würde, das Aus der Privatkassen bedeuten könnte - die wie erwähnt finanziell
zukunftssicherer arbeiten als das chronisch dem Zusammenbruch nahe gesetzliche
System, ist allem Anschein nach nicht als verfassungswidrig erkannt worden.
g) in diesem Zusammenhang wurde ebenfalls nicht begriffen, daß dadurch die
Vertragsfreiheit der Privatversicherten nicht nur eingeschränkt,. sondern
völlig ausgehöhlt würde. Würde obendrein selbst die Eigenart aller bereits
bestehenden Vertragsverhältnisse mit Privatkassen so einfach per Gesetz in
ihrer Eigenart zerstört, läge ein gigantischer Verstoß gegen grundlegende
Rechte der Versicherten vor. Denn diese durften sich darauf verlassen, daß ihre
durch teure Beiträge in Jahrzehnten erworbenen Rechte nicht nur
finanziell, sondern auch dem Inhalt nach erhalten bleiben. Eine Mitnahme von
Beitragspunkten für Altersrückstellungen ist dafür auch kein entfernter
Ersatz.
3. Zu Vorschlägen in Richtung einer
"Kopfpauschale" (CDU/CSU-Diskussion) bzw. einer Abkehr von der
Einkommensbezogenheit der gesetzlichen Krankenversicherung (FDP) seit 2009.
Die Vorschläge einer Kopfpauschale - mit Unterstützung der
Einkommensschwachen aus Steuergeldern - bei den gesetzlichen Krankenkassen
(CDU/CSU; allerdings so nicht im Programm); oder die ähnlichen Vorschläge
einer Leistungsbezogenheit der Beiträge statt der Einkommensbezogenheit, und
einer Schließung des Gesundheitsfonds (FDP) wären zwar auch weitere Schritte
in Richtung einer Angleichung der gesetzlichen und privaten
Versicherungssysteme, hier allerdings praktisch nach dem Muster der
Privatkassen. Es ist nicht klar, ob der für die finanzielle Haltbarkeit nötige
Punkt 2c (oben) dabei ausreichend einbezogen würde, oder ob die Medizinischen
Leistungen nicht - auf andere Art als bei der Bürgerversicherung - allzu
"pauschal" wären. Auch ob die soziale Absicherung tragfähig wäre,
müßte genauer untersucht werden, denn sie dürfte nicht zu kurz kommen.
(Diese Parteien, die eine Einheitsversicherung ablehnen, haben hauptsächlich
andere Schwachpunkte, siehe dort, auf unserer Bundestagswahlseite, z.B. die
Atomkraft.)
4. Fazit:
Die Bürgerversicherung in Deutschland einzuführen, ist zwar gut gemeint, aber
nicht wirklich durchdacht, jedenfalls nicht in den bisherigen Vorschlägen bzw.
Forderungen. Es müßte von den grundlegenden Motiven bzw. Erfordernissen
ausgehend, neu nachgedacht werden:
a.) Beim "kranken gesetzlichen Krankenkassensystem" wäre eine solidarische
Absicherung auch der sozial Schwachen weiterhin zu gewährleisten,
insbesondere durch Berücksichtigung von 2c.), was die wichtigste Angleichung an
das erfolgreiche Privatkassenmodell wäre, die finanziell mehr brächte als die
Versuche, den an diesem Versicherungssystem Unbeteiligten noch mehr Geld aus der
Tasche zun ziehen, als sie ohnehin schon zahlen.
b.) Gerade eine Entbürokratisierung bzw. Vereinfachung des gesetzlichen
Kassensystems, um dieses auch von daher attraktiver und konkurrenzfähiger zu
machen. Die halbjährlichen Nachschnüffeleien, ob jemand vielleicht
inzwischen doch noch weitere Einkünfte hat, abschaffen bzw. vereinfachen zu
Gunsten gesundheitsrelevanter Bonusmöglichkeiten. Nicht jede/r will jemanden
gerne "solidarisch" mitfinanzieren, der sich z.B. bewusst
gesundheitsschädlich verhält (u.a. Kettenraucher). Das ist eigentlich keine
Solidarität, sondern kann von Nichtrauchern als Zumutung empfunden werden.
Einige wenige Kassen haben einen Bonus für Nichtraucher und
Antialkoholiker bereits getestet. Ob eine Kopfpauschale für solche
Erfordernisse nicht zu "pauschal" ist, ist eine andere Frage.
c.) Ob ein zwischen gesetzlichen und Privatkassen gemeinsamer Fonds für
sozial Schwache Sinn machen könnte, der dann aber auch für beide Kassenarten
gleichermaßen nützlich sein müßte, könnte überlegt werden. Dabei dürften
aber den Privatkassen nicht die mit ihrem System nicht kompatible
einkommensorientierte Berechnungsmethode übergestülpt werden, sondern es
müßte ein anderer Weg dafür gefunden werden. (Daher ist beim jüngst
eingeführten "Basistarif" der Privatkassen eine solche Überstülpung
vermieden worden.) Mittel, die zum Ausgleich zwischen Kassen dienen, können ja
auch von den Kassen selbst eingezahlt werden.
Allen Parteien wäre jedenfalls zu empfehlen, zur
Zukunftssicherheit der gesetzlichen und privaten Kassen behutsam weitere
Schritte der Angleichung bzw. Konkurrenzfähigkeit dieser Kassensysteme zu
unternehmen, und dabei vor allem die tatsächlichen Interessen der Bürger/innen
an einer vielfältigen Medizin zu bedenken. Ein
sinnvoller Umbau des Kassensystem setzt einen breiten Konsens voraus; die
jeweils einseitigen Vorschläge mit der Brechstange durchsetzen zu wollen, kann
sich als gefährlich erweisen. Wir haben es mit einem System zu tun, das ganz
nahe am Bankrott ist, und wo es nicht ratsam ist, gerade die noch
funktionierenden privaten Versicherer zu gefährden. Und auch die Bürger/innen - nicht
nur die einkommensschwachen - haben vielfach nicht mehr die Spielräume, mit
allen undurchdachten Maßnahmen umgehen zu können.
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