Zur Weltfinanzkrise und
Eurokrise:
Fragen und Antworten
1. War die Finanzmarktkrise unvorhersehbar?
Die jetzige Krise (seit Herbst 2007 / 2008) war eine
der prognostizierten Möglichkeiten. Z.B. der aus den USA auch in anderen
Ländern bekannte, von Banken unabhängige Analyst und Anlegerschützer Dr.
Martin Weiss analysierte bereits vor Jahren die "Immobilienblase"
als den entscheidenden Schwachpunkt. Diese entstand durch die geldpolitisch
geförderte hohe Verschuldung der Bevölkerung - eigentlich auch der Firmen und
der öffentlichen Haushalte - in den USA. In den USA sind es 52 Billionen Dollar
(ja, englisch trillions) wirtschaftliche Gesamtverschuldung lt. Notenbank, + 60
Billionen aus staatlichen Sozialversicherungsprogrammen und
Pensionsverpflichtungen, + 182 Billionen ausstehende Derivate (gegenüber
der Realwirtschaft verselbständigte Wertpapiere)... - also hunderte Male
mehr als die entsprechenden Rettungsprogramme.
In abgeschwächtem Maß betrieben die anderen Staaten bzw. deren Notenbanken
eine ähnliche Geldpolitik, die Instabilitäten fördert. Allein
in Deutschland haben wir über 1,6 Billionen Euro offizielle Staatsschulden +
ausgelagerte 5,6 Billionen Pensionsverpflichtungen - ohne Firmen- und
private Verschuldung. Die auf die Immobilienschulden
bezogenen Wertpapiere - z.B. "Asset Backed Securities" - haben nur
diese vorhandene Überschuldung noch schneller aufgebläht und verbreitet; und
durch deren schnelle Handelbarkeit an der Börse konnte dann diese
Schuldenblase, die auch ohne sie irgendwann geplatzt wäre, besonders schnell
platzen. D.h. diese Wertpapiere, und die z.T. risikoreich gewesenen
Anlageentscheidungen der Bankmanager waren nicht die eigentliche Ursache des
weltweiten Kartenhauses. (Ein Vergleich: bei einer Eiterbeule ist nicht
deren Platzen das Grundproblem, sondern daß sie da ist; das Platzen kann sogar
zur Heilung beitragen, wenn es mit richtigen Maßnahmen begleitet wird.)
Daß dies den international verflochtenen Finanzmarkt nach unten reißen würde
- besonders den Handel mit "Derivaten"*) (meist spekulativen
Wertpapieren, die sich teilweise gegenüber den zu Grunde liegenden
realwirtschaftlichen Werten verselbständigt haben), und daß Staaten versuchen
würden, durch "frisch gedrucktes" Geld den so näherrückenden Bankrott
von Finanzinstituten hinauszuzögern, hatte Weiss richtig vorausgesagt, nur
ohne klare Zeitangaben, wann dieses Geschehen ausgelöst würde. Auch daß dies
letztendlich zu Staatsbankrotten führen würde - was sehr wohl
bevorstehen könnte, wie es in Island bereits angefangen hat, und bisher in
Ungarn, Griechenland, Portugal, Spanien, Irland, Italien
usw. droht - prognostizierte er. Weitere Schritte in seinem Zukunftsszenario
sind eine Großrezession der Weltwirtschaft, sowie der Verfall der
bisherigen Leitwährung US-Dollar*) durch deren aufgeblähte Geldmenge - und
auch ein Verfall des Euro*) - siehe unten. Der Euro ist bisher relativ stark gewesen, aber
das hing u.a. auch mit der Dollarschwäche zusammen. Wie genau der weitere
Verlauf sein mag, ob Schlag auf Schlag oder langsam, weiß auch Weiss noch
nicht. Bei seinen Empfehlungen spielt Gold eine wichtige Rolle.*) Dabei geht es
nicht um den alten Spruch, daß an der Börse jeder irgendwann Recht hat,
entweder der Optimist oder der Pessimist; sondern Weiss und zu ähnlichen
Ergebnissen kommende Andere nutzen ein ausgefeiltes volkswirtschaftliches
Rüstzeug, das mit der sog. "österreichischen Schule der
Volkswirtschaft" verwandt ist.**) Diese ist auch kritisch zu staatlichen
Eingriffen, aber nicht identisch mit der neoliberalen / Freihandels - Schule.
(Einer der Urheber, Friedrich Hayek, vertrat z.B. eine Freigabe regionaler
Währungen, was keineswegs den Globalisierungstendenzen der Freihandelsschule
entspricht.)
Auch aus anderen Richtungen gibt es z.T. verwandte Erkenntnisse. Z.B. der emeritierte Professor Jörg Huffschmid, hatte auch seit Jahren die Crash-Tendenz der teils von der Realwirtschaft abgekoppelten Finanzmärkte betont, wenngleich sich dadurch nicht alle Einzelheiten der jetzigen Krise ableiten ließen. Er gründete die "Memorandum-Gruppe" alternativer Wirtschaftswissenschaftler, die sozial denken und einer eher keynesianischen Betrachtungsweise zuneigen, die am stärksten auf staatliche Korrekturmaßnahmen wie Beschäftigungsprogramme setzt. Zur Zeit hat Keynes' Denken auch in die Politik stärkeren Eingang gefunden.**)
*) Unsere Seite
gibt jedoch keine Empfehlungen von Geldanlagen oder von entsprechenden
Finanzinfodiensten! Wir sind auch von diesen unabhängig, und befürworten nicht
automatisch alles, was diese veröffentlichen. Auf Weiss und seine Analysen wird
hier hingewiesen, weil durch seine Gesichtspunkte das Zeitgeschehen besser
verstanden werden kann als ganz ohne diese.
**) Auch diese volkswirtschaftlichen Schulen insgesamt zu bewerten, ist hier
nicht beabsichtigt, sondern nur, in der Diskussion fruchtbare Erkenntnisse
einzubeziehen; es kann sein, daß eine Schule für die eine Situation das
bessere Rüstzeug hat, und eine andere für eine andere Situation.
2. Kann der Kredit- und Wertpapier-markt mit seinen bisherigen Regeln unbeschränkt störungsfrei funktionieren?
Kredite sind für die Wirtschaft nötig. Aber es gibt
unterschiedliche "Firmenphilosophien", die etwas anderes sind als
bloße Notwendigkeiten. Eine Firma mag eine aggressivere und risikoreiche
Aufkaufstrategie auf Kredit bevorzugen, eine andere ein vorsichtigeres
Wirtschaften mit hohem Eigenkapitalanteil und geringeren Gewinnchancen bzw.
Verlustrisiken. Dies kann durch die Gesetzgebung bzw. durch die Kreditregeln
jeweils begünstigt sein.
- In Deutschland gelten für Banken die Kreditvergaberegeln von "Basel
I" bzw. jetzt "Basel II", die auf Grund der jetzigen Erfahrungen
überprüft werden können ("Basel III").
Danach darf weiterhin das Vielfache der Kundeneinlagen bei Banken als Kreditgeld
wieder ausgegeben werden. Ein Handwerker, der das Geld einnimmt, mag wieder
einen Teil anlegen, und davon darf nochmals das Vielfache als Kreditgeld
ausgegeben werden, usw. Die Interbankenkredite dürfen - ohne daß wieder neues
Kundengeld hinzukäme, von einer anderen Bank erneut in dieselbe Spalte wie
Kundengelder bzw. Eigenkapital gebucht werden, und somit nochmals das Vielfache
davon als Kreditgelder ausgegeben werden. Zwar sind in Deutschland im
Unterschied zu den USA die Kredite in der Regel durch Grundschulden / Hypotheken
oder Andere Sicherheiten gedeckt. Aber sobald in vielen Fällen gleichzeitig
solche Sicherheiten in Anspruch genommen werden sollen, besonders in einer
Krise, zeigt sich, daß das ein sog. Schneeballsystem ist, das dann nicht mehr
funktioniert. In den Umlauf kommendes Kreditgeld ist zum großen Teil nicht
wirklich gedecktes, neugeschaffenes Geld. Es ist bisher nicht berechenbar,
wie lange bei welchen Bedingungen dieses Kreditsystem störungsfrei
funktioniert. Daher werden auch Kontrollen solche Marktstörungen nicht
verhindern können, sondern höchstens eine Befassung mit den Kreditregeln
selbst. Das würde aber Forschungsarbeit voraussetzen, da wahrscheinlich niemand
in den Gremien verlangen will, die Kreditvergabe streng auf die Höhe des
Eigenkapitals zu begrenzen.
Ähnlich bei Wertpapieren: Ein Verbot, diese auf Kredit zu kaufen oder sie zu
verkaufen, ohne sie zu besitzen, sowie ein Verbot von Wertpapieren, durch die
mehr oder weniger ungedeckte Schulden weiterverkauft werden, wäre
wahrscheinlich zweckdienlicher als Kontrollsysteme.
- Besonders durch das Kreditgeld, und durch einige Wertpapier-Praktiken
wird auch die Währung aufgebläht, d.h. schleichend inflationiert.
Bei einer mit Gold gedeckten Währung wäre eine derartig große Aufblähung der Währung erschwert, da der Rohstoff Gold begrenzt ist, das wäre eine weitere Möglichkeit statt oder neben der Befassung mit den Kreditregeln. Jedoch sollte dies gerade nicht bedeuten, damit wieder eine starre Festlegung der Wechselkurse der verschiedenen Währungen zu verbinden - so wäre keine Währung mehr an die Wirtschaftsentwicklung anpaßbar, und genau daran ist das frühere "Bretton Woods" System gescheitert, und nicht am Goldstandard; (es gibt Vorschläge einiger Staaten in Richtung eines neuen Währungssystems mit solchen starren Wechselkursen). Es wäre allerdings möglich, die Wechselkurse zwar nicht dauerhaft festzuzurren, aber ihre Anpassung an feste Kriterien zu binden, statt sie der Willkür der Staaten bzw. dem Devisenmarkt zu überlassen (Vorschläge aus der Nichtregierungsorganisation ATTAC).
Der "G20-Gipfel" vom 2.4.09 hat
alles Andere eher beschlossen, nur keine Maßnahmen, die dieses übertriebene
Geldschöpfungspotenzial der Banken durch Kredite und spezielle
Wertpapierkonstruktionen begrenzen könnten. Dashalb ist auch die dadurch
bedingte Überschuldung noch nicht auf dem Wege der Lösung. Die Finanzkrise
kann daher weitergehen. Auch die innerdeutsche Politik entspricht dieser
Tendenz.
Zu den aktuellen Aktivitäten von Kontroll-Behörden: Das "Financial
Accounting Standards Board" der USA, auch für Bilanzierungsregeln im Rest
der Welt von Bedeutung, hat die bisherige Vorschrift, Wertpapiere mit ihren
Marktpreisen zu bilanzieren, teilweise aufgehoben. Das dürfte eine recht
durchwachsene Maßnahme sein: einerseits kann es Wertpapiere geben, wo die
momentane Börsenstimmung allein keine brauchbaren Werte liefert; aber andere
Maßstäbe sind eher theoretisch, und es gibt auch die naheliegende
Befürchtung, daß so Verluste noch mehr als bisher verschleiert werden können.
Eine sinnvolle Tendenz zeigte sich hingegen beim Basler Ausschuss für
Bankenaufsicht seit September 2009: Notenbankchefs und Bankenaufseher von 27
Industrie- und Schwellenländern schlugen strengere Regeln für das Eigenkapital
und die Liquidität der Kredite gebenden Banken bis Ende 2010 vor. Inzwischen
heißt es dort leider, die
erhöhten Eigenkapitalanforderungen an Banken - "Basel III" -
betragen nur wenige %, weniger, als die meisten deutschen Banken bereits haben;
Änderungen
sollen erst 2012 gelten, und auch das nur bei geeigneter Konjunkturlage ....
Deutsche Banken wollen entsprechend - lt. Deutsche Bank und Bundesverband
Deutscher Banken usw. bei einer Tagung in Frankfurt im September 2009 -
freiwillig Geschäfte mit mehr Eigenkapital unterlegen und den Anteil von
kreditbasierten (auch Wertpapier-) Geschäften reduzieren, um die Risiken zu
mindern, bzw. auf Kreditausfälle besser vorbereitet zu sein. Der darauf
folgende G20-Gipfel hat das dann ebenfalls aufgegriffen,
und der im Spätherbst 2010 betraf leicht modifizierte Kreditvergaberegeln
("Basel III").
Die Widersprüche zwischen Sparzinsen von unter 1% - erheblich geringer als der laufende Kaufkraftverlust - und den Soll-Zinsen z.B. für Überziehungen im Rahmen des Dispolimits (z.B.16-17,5%), oder noch mehr für geduldete Überziehungen haben inzwischen ein kaum noch glaubhaftes Ausmaß angenommen. Auch die allgemeinen Kreditzinsen sind trotz der extrem niedrigen Zinsen der Notenbanken nach wie vor sehr hoch. Diese gro0e "Verdienstspanne" ist der im engsten Sinne eigene Anteil der Banken an den Krisen.
Hier werden keine
Forderungen aufgestellt. Immerhin wird jetzt überhaupt einmal über die
Probleme und Möglichkeiten diskutiert. Ob über solche interessanten Fragen wie
einen neuen Goldstandard ernsthaft verhandelt werden wird, ist aber noch unklar.
Es gibt jedenfalls Fachleute, die darüber nachdenken; auch
Staatenvertreter, die Gold im Zusammenhang mit einem Korb aus mehreren
Währungen erwähnen, der den US-Dollar als Weltleitwährung ersetzen soll.
3. Können / sollen kaputtspekulierte Finanzinstitute und andere Großfirmen vom Staat gerettet werden?
- Die deutschen Regierungszusagen, die Giro- und
Sparkonten der Privatleute auch außerhalb der bisher sowieso öffentlich
garantierten Sparkassen zu garantieren für 1,621
Billionen Euro, wären eine sinnvolle Maßnahme.
Das ist aber nicht in die darauf folgenden Gesetzesregelungen eingeflossen.
Ob der Staat darüber hinaus die betroffenen Banken alle als solche
retten oder gar selbst übernehmen könnte - Bund und Länder beschlossen bis zu
100 Milliarden Euro direkte Kapitalspritzen + 400 Milliarden Euro Bürgschaften
- oder ob es dabei mehr um eine staatlich abgefederte Abwicklung gehen sollte,
ist eine andere Frage. Es kann auch Fälle geben, wo eine Marktbereinigung im
Sinne einer Gesundschrumpfung geradezu notwendig ist, und wo staatliche
Maßnahmen daher die Probleme nur verschieben oder gar verschlimmern. Das
staatliche Geld - der Steuerzahler - kann auch in Fässern ohne Boden
verschwinden. Auch wenn Kredite aufgenommen werden, geht die gewaltige
Zinslast - bis zum Mehrfachen der ursprünglichen Schuld - zu Lasten der
Steuergelder. Der Bund der Steuerzahler kritisiert schon ohne die neuen
Bürgschaften eine umfangreiche Verschwendung von Geldern. Diese
Dimensionen gehen jetzt jedenfalls an die Grenzen der Leistungsfähigkeit der
BRD. Spätestens im Fall eines Staatsbankrotts (s. 1.) wären die
Staatsgarantien für Konten praktisch wertlos.
- Das bekannte Argument, die staatlichen Bankenrettungsmaßnahmen seien für
Bürger bzw. Rentner und Arbeitnehmer billiger als ein Bankrott der betreffenden
Firmen, ist eine Behauptung, die eintreffen kann oder nicht - nachgerechnet hat
es niemand, und es kann auch niemand nachrechnen, da der weitere Verlauf der
Krise nicht feststeht.
- Während in Deutschland die Steuerzahler bisher extrem bürokratisch
behandelt wurden, wurde jetzt per Gesetzesbeschluß der Regierung selbst sogar
die Geheimhaltung von fällig werdenden Zahlungen an einzelne Banken ermöglicht
- was nun wirklich öffentlich relevante Aktivitäten betrifft.
- Weiter wären solche Kredite oder Ausfallbürgschaften an marode
Großfirmen oder gar deren neuerdings von der Bundesregierung ins Gespräch
gebrachte teilweise Aufkauf durch den Staat letztendlich mit der Gefahr einer
höheren Inflationsrate in den nächsten Jahren verbunden - im Moment noch durch
den Preisverfall=Deflation verdeckt - , und damit gerade mit einem
Geldwertverlust für die Bevölkerung, die man angeblich schützen will. Um bei
solchen Ausgaben dieser Gefahr zu entgehen, müßte der Staat selbst extrem bei
anderen Investitionen sparen, statt zu einer Ausweitung der Geldmenge
beizutragen, wie das in den USA in den letzten Jahren bis zum Exzess geschah.
- Infolge der zwangsläufigen Inflationsverstärkung würde im Fall der
Stützung der Hypo Real Estate usw. die Sicherung von Kreditschulden als
wichtiger bewertet als der Wert des real vorhandenen, hart erarbeiteten
Geldes der Bevölkerung.
- Auch kommt hinzu, daß ein Teil der Geschäfte der betroffenen Banken,
insbesondere diejenigen, die etwa die Hypo ins Trudeln geführt haben, spekulative
Großtransaktionen betrafen. Auf dem Finanzmarkt könnte spekuliert
werden, der Staat würde ja alle riskanten Geschäfte abdecken.
- Zusätzlich ist es problematisch, daß bei staatlichen Rettungsbemühungen
schon in der Vergangenheit nur von Großunternehmen die Rede war. Was ist
mit den mittelständischen und Kleinunternehmen, die den weitaus größten Teil
der Wirtschaftskraft und der Arbeitsplätze beisteuern - mit welchem Recht und
weshalb will man diese gezielt benachteiligen? Die von EU-Politikern so genannte
"systemische Wichtigkeit" einiger nicht offiziell genannter
Firmennamen ist eine sehr unklare Sache. Da wurden wieder einmal nicht die
Bürgerinnen und Bürger gefragt, diese denken nach Umfragen auch auf diesem
Gebiet anders als die Regierung(en), und sie sollten in einer Demokratie auch
berücksichtigt werden.
- Trotz der Ankündigungen, die Kreditspekulationen um die Welt herum
deutlicheren Regeln unterwerfen zu wollen, fördern die Rettungszusagen gerade
jene Illusion, das Schuldenmachen könne oder gar müsse mehr oder weniger so
weitergehen wie bisher.
- So bleibt unter dem Strich zwar das Motiv, einer Krisenstimmung wiederum mit
stimmungswirksamen Ankündigungen entgegenwirken zu wollen. Aber die
Bundesregierung wird nun einmal nicht als bloßer Psychotherapeut anerkannt,
sondern es werden auch sachliche Maßstäbe an ihre Aussagen und Taten angelegt.
Und von der Sache her ist eine Gesundschrumpfung des aufgeblähten
Finanzmarktes und einiger kaputtspekulierten Großfirmen möglicherweise
unumgänglich, und letztendlich durch keine staatliche Maßnahme zu stoppen.
Freilich ist es schwierig für Politiker, das zu sagen, da sie davon ausgehen,
daß ihre Wähler am liebsten hören wollen, daß alles gerettet wird, und bald
die Wirtschaft wieder blüht - auch wenn das unmöglich ist, da die
Wirtschaft nun einmal ein Auf und Ab hat wie die Natur, auf das sich die Firmen
einstellen sollten, wie es z.B. eine Hausfrau auch tut.
- Ein etwaiger Aufkauf von Banken - wir können es abwarten, wann die anderen
Branchen auch ins Gespräch gebracht werden, Autofirmen haben sich ja auch schon
als "Krisenbetroffene" gemeldet - läßt nicht nur die Frage nach negativen
Seiten staatlichen Mitmischens aufkommen, der man bisher nur durch den
unverbindlichen Verweis auf eine Vorläufigkeit entgegenzuwirken suchte.
- Sondern es ist auch zu fragen, warum dann in denjenigen
Infrastrukturbereichen, wo das Staatseigentum seine sinnvolle, stabilisierende
Seite entfalten kann, dies nach wie vor verscherbelt werden soll, nur etwas
später als geplant: das betrifft besonders den Börsengang der Deutsche Bahn AG
- neuerdings jedoch wieder unwahrscheinlicher geworden - sowie
weitere Projekte wie "Stuttgart 21".
Es wird hier nicht grundsätzlich für oder gegen diese Maßnahmen eingetreten, sondern es wird das Nutzen-Risiken-Verhältnis beleuchtet, um die Meinungsbildung auf dem Gebiet zu fördern, die ja längst nicht abgeschlossen ist. Dabei mögen die Leser/innen das laufende Tagesgeschehen berücksichtigen. Eine gewisse Beruhigung an den Finanzmärkten wurde immerhin erreicht; aber der Wirtschaftsabschwung ist nicht wirklich beendet, das wird sich nach dem Auslaufen der Maßnahmen schnell zeigen, was in den USA bereits deutlich zu sehen ist.
Die Bürger/innen sind nicht schuld an der Krise und
wollen auch nicht dafür zahlen. Eine Regierung könnte auch auf diesem Gebiet
letztendlich nur mit der Bevölkerung eine sinnvolle Politik machen. Sie könnte
auf mehreren Gebieten eine andere Politik machen, u.a. eine
unbürokratischere Steuerpolitik und Sozialpolitik; sowie eine Deutschland globalisierungsfester machende Politik,
also Standortpolitik in einem ganzheitlicheren Sinne, als der Begriff
"Standort Deutschland" normalerweise benutzt wird, wo oft nur
günstige Bedingungen für sog. Heuschrecken aus Übersee gemeint waren. Es geht
auch gerade um das, was die Bürger/innen selbst von diesem Standort haben im
weltweiten Rahmen mit seiner immer größer gewordenen Konkurrenz. Siehe unsere
Seite zur praktischen Politik der gegenwärtigen deutschen Bundesregierung (auf
den verschiedenen Sachgebieten.
4. Können Staatsbankrotte aufgefangen werden?
Durch Maßnahmen gegen Spekulanten - wie die neuen gegenseitigen Kreditbürgschaften der EU-Staaten***) - kann die Ursache der Beinahe-Bankrotte Griechenlands und anderer Staaten nicht gelöst werden; denn diese Ursache liegt in der unverantwortlichen Schuldenmacherei der Politiker der betroffenen Staaten selbst. Z.B. hat Griechenland einen völlig überdimensionierten Beamtenapparat, den sich selbst viel reichere Staaten nicht leisten könnten. Staatliche Rettungspakete sind allenfalls vorläufige Abhilfen, auf etwas längere Sicht verschlimmern sie nur die Ursachen, weil sie die Verschuldung noch erheblich erhöhen - wie es auch bei den Konjunkturpaketen der Fall ist. Nur drastische Sparmaßnahmen könnten länger als nur einen Moment helfen. Das ist inzwischen auch durch die Reaktionen der Finanzmärkte auf die Staaten-Auffangmaßnahmen erkennbar geworden. Daher soll jetzt innerhalb der EU extremes fortgesetztes Schuldenmachen durch Sanktionen erschwert werden. Nun kommt es also darauf an, wie gespart wird, nur darüber kann sinnvoll gestritten werden. (Leider geschieht das auch in Griechenland zu wenig, denn die Leute auf den Straßen scheinen zu denken, der Staat und die Banken und die EU bräuchten nur weiterhin ungedecktes Geld aus dem Hut zaubern, damit alles so bleiben könne wie bisher.)
Auch der Aufkauf von Anleihen durch
die Europäische Zentralbank EZB hat sich nicht als Zaubermittel erwiesen, das
Sparmaßnahmen ersetzen könnte. Polen, das besser spart, steht in vielfacher
Hinsicht gut da.
Eine eigene Währung für Griechenland könnte zwar weitere Turbulenzen an den
Finanzmärkten bringen, und so versuchen das Politiker bis zuletzt zu verhindern
bzw. zu verzögern. Aber durch die Abwertung nach außen hätte die griechische
Wirtschaft zugleich eine Chance, ihre Waren leichter im Ausland verkaufen zu
können und so im Laufe der Zeit wieder auf die Beine zu kommen. Es ist jetzt
alles eine schwierige Gratwanderung. Ein Zaubermittel, wodurch sofort alles
wieder funktioniert wie vor der Krise, gibt es nicht.
Daß auch weitere Steuern kein geeignetes Mittel sind, die leeren Staatskassen wieder aufzufüllen, zeigt sich u. a. schon in Griechenland. Weder durch die neu erfundenen Steuern und Abgaben, noch durch Versuche, alte Steuerschulden einzutreiben, ist da noch viel zu holen - denn die Taschen der Privatleute bis weit in den Mittelstand hinein haben auch schon überall gelitten. Vielmehr wirken Steuern in einer solchen Lage wie die zu hohen Zinsschulden, denn beides kann in dieser Höhe fast niemand laufend erwirtschaften, ohne daß noch größere Schulden entstehen. Auch die Wirtschaft würde so weiter leiden.
5. Können die "Rettungsschirme" die vielen schwächelnden Euro-Länder auffangen?
- Der bisherige provisorische Rettungsschirm
und der beschlossene und noch vor
dem Bundesverfassungsgericht umstrittene Rettungsschirm ESM hätte als Nettozahler schon im Juli 2012 praktisch nur noch
Deutschland, die Niederlande, Luxemburg und Finnland - und Finnland überlegt
bereits, abzuspringen. Ein einziges großes Land, also Deutschland kann den Rest
der 17 nicht auffangen. Zumal diese Maßnahmen zu den oben erwähnten Geldaufblähungsmaßnahmen
gehören, die die Krise bestenfalls verschieben, und letztendlich nur das
zusätzliche Problem der Inflationierung bringen.
Einer der drei weiteren damit verbundenen Verträge, der Fiskalpakt bringt die
bisherige Haushaltshoheit der einzelnen Staaten letztendlich unter die Kontrolle
eines Gouverneursrates der EU, der die
Staaten zwingen könnte, sogleich zu zahlen, und der auch die vereinbarte
Haftungssumme selbst bei Bedarf erhöhen könnte, und der selbst keiner
Kontrolle unterliegt. Mehr-Demokratie.de wies darauf hin, dass das eigentlich
einer Vokksabstimmung bedürfte. Das Bundesverfassungsgericht hat der Ausweitung
der deutschen Verpflichtungen Grenzen gesetzt - vorausgesetzt, die
Bundestagsabgeordneten bleiben im weiteren Verlauf bei den Grenzen -. Zu bedenken ist auch, dass die Haushaltspolitik
praktisch alle Politikbereiche entscheidend beeinflusst.
Gegenüber diesem Problem der Beschlüsse sind die zwischen
Regierung und Opposition umstritten gewesenen Punkte wie etwa ein
"Wachstumspakt" zweitrangig - Diskussionen, die an den wirklichen
Sorgen der Bevölkerung und vieler Fachleute vorbeigingen. Die weitere
Eigenschaft des Fiskalpakts, Verschuldungsgrenzen zu setzen, wäre zwar gut
gemeint. Es ist allerdings zu fragen, was das bedeutet, nachdem bereits die
existierenden Stabilitätsregeln der existierenden Verträge über Nacht von den
Regierungschefs als nicht existent behandelt wurden?
- Der neue Beschluss der direkten Bankenrettungsgelder, etwa für Spanien bringt
die Gesamthaftung der Rettungsfonds, bzw. der Staaten, insbesondere
Deutschlands, auf ein immer schwierigeres Niveau. Zwar gebe es trotzdem eine
Haftung des dortigen Staates - aber was bedeutet das, wenn jeder weiß, daß
dieser zu einer realen Haftung gar nicht in der Lage wäre und selbst dem
Bankrott nahe ist?
- Es wurden europäische Anleihen gefordert, die weiter die Finanz-Krankheit in
Europa verbreiten statt Schadensbegrenzung treiben würden. Es hat sich bereits gezeigt, daß dadurch die
"Ratings" der Kreditwürdigkeit auch von Staaten wie Deutschland
sinken würden. Wer soll europaweite Anleihen kaufen, von denen bekannt ist,
dass sie gewaltige Risiken enthalten? Nun akzeptiert die
Europäische Zentralbank bereits heute Staatsanleihen als
"Sicherheiten" für Kredite etwa an Portugal, deren Laufzeit von
Portugal auf "31.12.9999" festgelegt wurde. Glaubt jemand, dass ein
solches Rückzahlungsversprechen etwas wert ist?
- Und wie stabil ist überhaupt die BRD, die alles hauptsächlich tragen soll? Ihre Verschuldung
ist, wenn wie bei Firmen gerechnet wird, auch schon bei über 100% - bei Firmen heißt das: aufgebrauchtes
Eigenkapital bzw. Insolvenz. Hinzu kommen die nicht mit berechneten
Pensionsverpflichtungen usw. - für die ein Unternehmen Rückstellungen bilden
und ausweisen müsste. Weiter müssten undurchsichtige Strukturen von
ausgelagertem Staatseigentum bzw. ausgelagerten Schulden in Form staatlicher
bzw. halbstaatlicher Unternehmen auf allen Ebenen mit berücksichtigt werden.
Und dann noch die Schulden der sonstigen Unternehmen und Privatleute, die auch
kaum mehr in der Lage sind, Weiteres beizusteuern ...? Erst dann haben wir die
Gesamtverschuldung und damit ist es schon recht deutlich, dass eine verstärkte
Verschuldungspolitik nicht mehr lange so weitergehen kann.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass - s.o. - die großen
Industriestaaten außerhalb der EU mindestens ebenso große Risiken haben.
Es wurden hier nur die Tatsachen aufgeführt und sachlich analysiert, um zu einem Verständnis der Lage beizutragen - ohne Forderungen aufzustellen.
***) Die deutschen Bundestagsparteien taten zwar so, als seien sie darüber uneinig. In Wirklichkeit kritisierte z.B. die SPD aber nur, daß nicht schon früher solche Hilfen für Griechenland bereitgestellt wurden; und daß in Deutschland noch keine zusätzliche Finanztransaktionssteuer beschlossen wurde. Bündnis 90/ Die Grünen sahen die Rechte des Bundestages gegenüber der Regierung zu sehr beschnitten. Seit ca. Herbst 2011 gibt es innerhalb der Parteien, besonders CDU/CSU und FDP immer stärkeren Widerstand gegen weitere Zusagen der Bundesregierung. Es ist aber bisher nicht erkennbar, daß das noch deutlich vor einem Bankrott Griechenlands zu einer Änderung der Politik der Bundesregierung führt, die sich mit den Regierungen der anderen EURO-Staaten in einem Boot fühlt. Nach einem Bankrott - besonders einem ungeordneten Bankrott - Griechenlands würden die Folgen dieser Politik u.a. für Deutschland deutlicher sichtbar werden.
Unsere kommentierte Zusammenstellung zu den Bundestagswahlprogrammen von 2009.
Auswertung des Koalitionsvertrags der neuen CDU/CSU/FDP-Regierungskoalition
Der Text des Koalitionsvertrags der neuen CDU/CSU/FDP-Regierungskoalition**
S.a. unsere Ausarbeitung über gemeinsame Schnittmengen aller möglichen Koalitionsarten;
Ein anderes interessantes Projekt: der "Demokratie-Spiegel" ist ein Monatsmagazin für Politik, Direkte Demokratie, Bürgerpolitik in Deutschland und Europa. www.demokratie-spiegel.de
**) Benötigt das freie Programm Adobe Acrobat Reader.
Dieses Webprojekt identifiziert sich nicht mit Inhalten anderer durch Links angegebener Webseiten.
Zurück zur Startseite Rechte, e-mail