Betrachtungen zum Zeitgeschehen
5d. Bewertungsmaßstäbe für geleistete Politik von Parteien oder Regierungskoalitionen
Bisher gab es sehr dehnbare Vorstellungen vom "Erfolg" einer bestimmten
Politik.
Bei den hier ausgearbeiteten erweiterten Bewertungskriterien muß
bedacht werden, daß besonders der letzte Punkt "Politikmanagement" bisher von
eher wissenschaftlicher Bedeutung ist, weil es so in der praktischen Politik
bisher nirgends in der Welt als Anforderung bewusst ist. Gesetze werden heute in
Kraft gesetzt, und wenn sich zu Viele danach beschweren, wird "nachgebessert".
Im schlimmeren Fall müssen die Betroffenen 10 Jahre oder länger bis zu einer
Änderung warten. An der negativen Verwendung des Wortes "Nachbesserung" erkennen
Sie, daß nicht bewusst ist, daß diese "Nachbesserungen" - oder zumindest die
laufende ehrliche Überprüfung, ob welche nötig sind - ein ganz normaler,
und gut organisierter Vorgang sein müßten. Denn selbst die beste Politik kann
nicht alle Folgen vorhersehen. Wenn so optimiert wird, dann kann das Gesetz nach
einig Zeit so gut werden, daß es dann erst tatsächlich lange Zeit Bestand haben
kann (wenn es überhaupt im Sinne der Bevölkerung ist). Heute besteht also hier
eigentlich ein gravierender Mangel; dieser kann aber praktisch noch nicht einer
einzelnen Partei oder Koalition als Schuld zugeschrieben werden. Die übrigen
Kriterien sind auch umfangreicher, als sie sonst angelegt werden.
1 (sehr gut), 2 (gut), 3 (befriedigend), 4 (ausreichend), 5 (mangelhaft), 6 (ungenügend), leer = nicht bewertet. Da die Zeitumstände nicht immer vergleichbar waren, sind die Einstufungen nur eingeschränkt gültig.
Sachliche Durch-dachtheit der Konzepte | Überein- stimmung der Grundlinien mit der großen Bevölkerungs- mehrheit | Vermittlung und Diskussion im Einzelnen mit der Bevölkerung | Wie gut funktionierte die Einführung | Arbeits- leistung | Erreichen der selbst- gesetzten Ziele | Annäherung an die gesellschaft- lich bzw. von einer großen Mehrheit erwünschten Ziele | Politik- management (Optimierung) nach Einführung von Gesetzen | |
Ein Stand der Bewertungen - "Noten" von einzelnen Parteien/ Koalitionen - wird nicht mehr veröffentlicht.
*) Die Rot-grüne
Bundesregierung kam schon, bevor sie richtig installiert war, in neue
weltweite Umstände hinein. Von den USA ausgehend, wurden schon von der
damaligen Regierung Clinton die sich zuspitzenden Konflikte in Kriege umgesetzt,
die mit einiger Verzögerung u.a. auch wirtschaftlich negative Folgen hatten.
Als beim Irakkrieg sichtbar wurde, daß es bei diesen Kriegstendenzen um etwas
Anderes ging als um die vorgeschützten Ziele, zog die deutsche Regierung, wenn
auch spät, die einzig richtige Konsequenz, als Macht der Mitte auch einmal
bevorzugt Bündnisse mit anderen Ländern zu suchen, die in dieser Situation
eine kritische Haltung einnahmen. Sie versuchte zeitweise mit einer fieberhaften
Arbeitsamkeit, die übernommenen Schulden und die Herausforderungen der Zukunft
betr. Arbeit, Rente, Gesundheit und Umwelt durch eine ganze Reihe von Reformen
in den Griff zu bekommen, ohne gänzlich von einer sozialen Marktwirtschaft zu
einem Markt amerikanischer Prägung überzugehen. Diese Bemühungen sind zwar im
Einzelnen teilweise noch nicht so ausgewogen, wie es der Anspruch gerade dieser
Regierung war, aber im Großen Ganzen führte kein Weg daran vorbei.
Sonst müßten sofort gegenüber Osteuropa hohe Zölle wieder eingeführt
werden, um dadurch die globale Konkurrenz zu entschärfen, wie dies früher
jahrhundertelang erfolgreich praktiziert worden war. Dies würde aber unter den
Weltmächten noch schärfere Kommentare auslösen als das Heraushalten
Deutschlands aus dem Krieg. Denn gerade die Abschaffung von Handelshindernissen
wie Zöllen ist seit jeher der Kern internationaler Wirtschaftsideologie.
Trotzdem wären zumindest Überlegungen über Regulierungen und Verlangsamungen,
nötig, denn ohne dies wird letztendlich jede Regierung in dem Bemühen
scheitern, im Land die Arbeitsplätze und erträgliche Verhältnisse zu
erhalten. Es ist schlicht unmöglich, die Standards in Deutschland mit
denjenigen in Lettland konkurrenzfähig zu machen, wo die Sozialausgaben ca.
1/10 (ein Zehntel) derjenigen in Deutschland betragen. Es wäre auch nicht damit
zu rechnen, daß eine CDUCSU/FDP-geführte Regierung dies einsehen würde, denn
diese Parteien vertreten eher noch stärker diesen Gedanken der
"Konkurrenzfähigkeit".
Also können solche Einsichten nur aus der Bevölkerung kommen. Z.B. könnten
sich die Globalisierungskritiker
der ATTAC damit befassen. Es ginge dabei nicht etwa um Zölle für Kaffee
oder Rohstoffen aus Dritte-Welt-Ländern, denn diese sind schon deswegen
sinnlos, weil es dafür in Deutschland keine Konkurrenz gibt. Sondern um etwas
zollähnlich Wirkendes betr. Osteuropa, und Einfuhrkontingente, wie jetzt im
Fall der Überschwemmung mit chinesischen Textilien. Übrigens hätte auch
Osteuropa etwas von einer Regulierung statt uferloser Freizügigkeiten: dann würden
dort nicht so viele Fachkräfte wie Ärzte usw. abwandern, wie es sonst in
einigen Jahren zu erwarten wäre.
Die Rot-grüne Bundesregierung ist dadurch in große
Schwierigkeiten geraten, daß die verschiedenen Reformvorhaben mangelhaft
koordiniert wurden, sodaß zeitweise jede Woche irgendein neuer Horror-Vorschlag
auftauchte; weiter dadurch, daß die Kritik und Korrekturwünsche, die auch
besonders aus dem Umfeld der Regierungsparteien kamen, lange Zeit nicht beachtet
wurden, sondern zum Erstarken einer Linkspartei führten.
**) Die CDUCSU/FDP-Regierung
unter Helmut Kohl: Die wirtschaftlichen Folgen der deutschen
Wiedervereinigung und der Weltkonjunktur, sowie der Zinssätze der damaligen
Bundesbank von 1994 usw. sind natürlich keine Leistung einer nationalen
Regierung gewesen; sondern nur, wie im Vorfeld und danach damit umgegangen
wurde: die Bürgerbewegung im Osten, die die Wende von 1989 herbeigeführt
hatte, und einen langsamen und kreativen Wandel wollten, wurde übergangen. Die
Regierung Kohls ergriff die für das Land entstandene Chance entschlossen; aber
sie wählte die Politik der schnellen, billigen Aufkäufe durch westliche Großfirmen
im Osten - mit Hilfe der "Treuhand" -, mit der Folge der Verdrängung
regionaler Produktionsmöglichkeiten und damit vieler Arbeitsplätze, der
Abwanderung von Fachkräften usw. Für die Zeit von 1989-1998, wie auch danach,
könnte stark zwischen Wirkungen in West- und Ostdeutschland unterschieden
werden. Die "blühenden Landschaften" bzw. daß es Allen im Osten eher
besser gehen sollte, wurde nicht erreicht. (Das heißt aber nicht, daß
"die Wessies" allgemein nur profitiert hätten.) Diese Politik war
jedenfalls nicht 'nachhaltig', was in diesem Sachbereich ein wesentlicher Maßstab
ist. Größere soziale Reformen wurden nicht gemacht, man ließ die Dinge
laufen, wie sie liefen.
Es gab um 1997 sogar Hinweise aus Wirtschaftskreisen, daß nötige Reformen eher
eine Rot-grüne Regierung leisten könnte, weil diese dann weniger Widerstand
bekäme. Durch die Massenarbeitslosigkeit und die
Verschuldung sowie einige weitere Probleme wurde diese Regierung dann 1998
tatsächlich abgelöst.
Siehe auch die Seiten: "Fähigkeiten von Politikern";
"Theoretische Koalitionsmöglichkeiten in der BRD je nach Wahlergebnissen";
"Zu den hauptsächlichen Streitpunkten, die zur deutschen Neuwahldiskussion führten";
und "Bundestagswahl 2005: Ein kurzer Vergleich der Wahlprogramme der Parteien";
sowie einige zentrale Fragen an Kandidaten zur Wahl.
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