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Betrachtungen zum Zeitgeschehen
Zur praktischen Politik der deutschen CDU/CSU/FDP- Bundesregierung 2009-2013
Über unsere Auswertung des Koalitionsvertrags hinaus läßt sich sagen, dass die maximale Geldmittel und Bemühungen der Politik ohne ausreichende Diskussion mit der Bevölkerung in die Versuche zur Erhaltung des Euro geflossen sind; während die - nach vielen Diskussionen beschlossenen - übrigen politischen Maßnahmen eher klein ausgefallen sind - was in vielen Fällen zumindest nicht schädlich war. Weitere, praktisch nur diskutierte Vorhaben können hier nicht vollständig bearbeitet werden.
Die
ersten steuerpolitischen Neuerungen der jetzigen
Bundesregierung - vor einer geplanten
größeren Steuerreform - erscheinen im Einzelnen noch unbeholfen. Aber die kleinen
Erleichterungen für Familien mit Kindern sind keineswegs komplett falsch,
wie das effektehascherisch von der Opposition kritisiert wurde. Der
Ausgleichsbetrag für sozial Schwächere wurde mit 20,- Euro wohl zu
gering bemessen. Daher wurde dies in kritischen Stellungnahmen gleich
ganz ignoriert, und teilweise von
"Steuergeschenken ... " geredet.
Diese Art von Kritik war allerdings völlig daneben, und zeigte ein geradezu
erschreckendes, vordemokratisches, obrigkeitsstaatliches Bewusstsein, in dem
alles als großzügige Gabe gilt, was der König seinen Bürgern beläßt. In
einer Zeit, wo alle Diejenigen, die überhaupt Steuern zahlen müssen,
keineswegs den biblischen "Zehnten" abgeben, sondern eine
Gesamtsteuerbelastung von ca. 40-60% haben (alle Steuerarten zusammen), ist
klar, daß eine umfassende Entlastung längst überfällig ist. Eine solche
Steuerlast können nur noch die Wenigsten laufend erwirtschaften. Deshalb trägt
auch gerade sie zur heute wenig erwünschten Jagd nach Super-Renditen auf dem
Finanzmarkt usw. bei. Diese gibt es immer weniger, und so erhöhen solche
Steuerhöhen auch die allgemeine Überschuldung, die die Grundlage für die
weltweiten Auswirkungen der Finanzkrise
und Eurokrise
ist. Die von Anderen geforderten zweckmäßigen staatlichen Aktivitäten, etwa
eine bessere Ausstattung von Kindergärten, können nicht ausgespielt werden
gegen diese ebenfalls nötige Steuerentlastung, und sie sind auch nicht
automatisch "besser" als diese; es sei denn aus einer einseitigen
ideologischen Haltung heraus, wo die Rechte der Einzelnen nichts gelten. Aus
denselben Gründen ist es auch absurd, wenn Viele in dieser öffentlichen
Diskussion angesichts der Finanzkrise ausgerechnet den Besitzstand des Staates
100%ig erhalten möchten, während seine Bürger/innen bis weit in den
Mittelstand hinein an allen Ecken und Enden sparen müssen, Schulden aufnehmen
und höhere
und neue Steuern zahlen sollen.
Mit der an
und für sich zweckmäßigen besseren steuerlichen Abziehbarkeit von
Krankenkassenbeiträgen über die Lohnsteuer ist leider eine problematische Flut
privater Daten verbunden - von den Kassen an die Deutsche Rentenversicherung,
und von dort in eine Datei "ELSTAM" für die
Finanzämter. Da dies den Tendenzen des Koalitionsvertrages widerspricht,
könnte es sein, daß die Details den gewählten Politikern bereits jetzt
entglitten sind.
Die im September 2011 beschlossenen - wenigen - Steuervereinfachungen,
und die
Erhöhung des Arbeitnehmerpauschbetrags sind als kleine Verbesserungen.zu
betrachten.
Zusammenfassend: a.) was die Regierungskoalition auf diesem Gebiet macht, ist
noch unbeholfen und unausgewogen, geht aber vom Motiv der Entlastung her in die
richtige Richtung. Das muß weiter genau und differenziert beobachtet werden;
b.) was die eine oder andere Oppositionspartei dazu verlauten ließ, war noch
einseitiger und unausgegorener; c.) und was manche "Experten" - die
schon die Krise nicht vorhergesehen hatten - von sich gaben, ließ auch wenig
Substanz erkennen. Genau dieser Zustand läßt befürchten, daß die
Politikverdrossenheit - und damit die "Partei der Nichtwähler" noch
größer wird.
Die Regierungskoalition und der Bundesrat sollten in einer Zeit der knappen
Kassen bei der Besteuerung auch gerade Entlastungsmöglichkeiten vorziehen, die
den Staat nichts kosten, und gerecht sind, weil alle Schichten betroffen sind: Entbürokratisierungsmaßnahmen,
wie sie im Koalitionsvertrag auftauchen.
Das vom Bundestag beschlossene, aber vom Bundesrat
abgelehnte neue Steuerzusammenarbeitsabkommen mit
der Schweiz - wäre insoweit ein Fortschritt, als hier die aus Vergangenheit und
Gegenwart zu zahlenden Steuern erstmals über die Grenzen eines anderen Landes
hinweg, automatisch vor Ort errechnet und eingezogen würden - wie vor Jahren
die ursprünglich auch anonym gewesene deutsche Zinsabschlagsteuer. Die Schweiz
und auch eine Reihe anderer Staaten
haben andere Rechtssysteme, die überwachungsstaatliche Praktiken wie sie in
Deutschland seit einigen Jahren bestehen, gar nicht als vorbildlich anerkennen
können. Daher ist das entworfene kunstvolle Verfahren die einzige Möglichkeit,
eine sinnvolle Besteuerung zu ermöglichen. Ob es zweckmäßig war, den Stichtag erst
auf 2013 zu legen - wie von Einigen kritisiert wurde
-, ist inzwischen irrelevant, da durch die Blockade
im Bundesrat das Ganze praktisch vertagt wurde bis zu etwaigen Neuverhandlungen
nach der Bundestagswahl. Auch
ist es nicht ideal, daß die Steuer von den Banken nicht für die vergangenen 10
Jahre wie bei der innerdeutschen Abgeltungssteuer ausgerechnet wird, sondern zur Arbeitsvereinfachung pauschal
durch Abzüge vom Vermögen geregelt werden soll. Es ist allerdings nicht so,
wie einige Kritiker behauptet haben, daß die Höhe dieser Steuer für die
Vergangenheit allgemein zum Vorteil der Betroffenen wäre. Diverse
Finanzinfodienste haben ausgerechnet, dass - zumal nach der nachverhandelten
Verschärfung - meist
die weiterhin mögliche Selbstanzeige mit
individueller Berechnung zu einem billigeren Ergebnis führen
würde. Die Abgeltungssteuer für
die Zukunft entspricht in ihrer Höhe praktisch exakt der deutschen
Abgeltungssteuer. Eine Ungerechtigkeit für Diejenigen, die ihre Konten
freiwillig gemeldet haben, können die Finanzämter vermeiden, wenn sie
dieselben nicht wegen dem bekannten Konto schlechter behandeln als Andere. Unter
dem Strich handelt es sich somit um eine trotz einiger Mängel ausgesprochen
sinnvolle Regelung, auch für weitere Staaten, und die aufgekommene Kritik daran
hat eher parteipolitische Gründe.
-
Die kleine Senkung der Rentenbeiträge ab 2013 mag sinnvoll sein, nur
steigt die Rentenbesteuerung im Alter.
Das alte Elterngeld wurde als Bevorzugung von Akademikern
kritisiert, obwohl es eigentlich ein Ausgleich für selbst Erziehende ist,
gegenüber denen, die schon die staatliche Förderung der KITAs in Anspruch
nehmen. Später kritisierten Dieselben seine Begrenzung als Sozialabbau, was
schwer nachvollziehbar war: für das Existenzminimum von Kindern gab es weiter
Regelleistungen, für Alleinerziehende Mehrbedarfszuschläge; in
Bundesländern gibt es z.T. Erziehungsbeihilfen. Wenn
heute von Grünen und SPD gegen ein Elterngeld eingewandt wird, sozial
Schwächere würden es einfach als eine Art Lohnerhöhung verwenden, und es sei
besser, die Kinder in die KITA zu schicken, dann ist das eher eine
weltanschauliche Frage, wer es besser kann, die Eltern oder öffentliche
Stellen. Ohne Bemühungen um eine stärkere Befähigung mancher unvorbereiteter
Eltern wird es weder mit noch ohne ein Elterngeld gehen, weder mit noch ohne
KITA.
Auch weitere Entscheidungen hat die Bundesregierung offenbar vertagt: neben einer größeren Steuerreform z.B. die Reformen im Gesundheitswesen, über die deswegen in der Öffentlichkeit bisher eher unverbindliche Diskussionen stattfanden. Kleinere Änderungen wie die Abschaffung der Praxisgebühr ab 2013 mögen zweckmäßig sein; desgleichen kleine Anpassungen der Pflegepflichtversicherung, die freilich weiterhin eine private Zusatzversicherung nicht überflüssig machen, welche daher staatlich gefördert wird.
Konkrete Beschlüsse zur Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke hatte die Regierung nach der Landtagswahl in NRW 2010 gefasst. Inzwischen versucht sie scheibchenweise den Rückzug. Die Bevölkerungsmehrheit will keine höheren, sondern weniger Risiken durch Atomkraftwerke. (S.a. unsere Auswertung der baden-württembergischen Landtagswahl 2011.)
Daß
es letztendlich keinen Weg geben würde, der an staatlichen Sparmaßnahmen
vorbeiführt, hatten wir schon lange auf Seiten betr. die Finanzkrise und
Steuerdiskussionen usw. vorausgesagt. Jetzt ist jedoch die entscheidende Frage,
wird sozial verträglich gespart oder nicht? Eine nähere Betrachtung zeigt ein
uneinheitliches Bild:
- Wer früher beklagte, Arbeitslose würden zu unsinnigen Fortbildungen
genötigt, kritisierte diesbezügliche Kürzungen als
sozialen Kahlschlag. Das ist ein vorschnelles Urteil, zumal die Berater
weiterhin Fördermaßnahmen zulassen dürfen. Aber die Auswirkungen müssen
verfolgt werden.
-
Die Streichungen der Rentenbeiträge für Hartz IV-Empfänger mögen
logisch berechnet sein, da diese Beiträge sowieso wenig zur Rente beitragen.
Aber dennoch könnten Betroffene etwas vermehrt im Alter in die Grundsicherung
geraten. Das würde dann auch für den Staat das Problem nur in eine andere
Schublade verschieben. Es könnte auch als falsche Weichenstellung gesehen
werden, weil aus demographischen Gründen (Altersstruktur) das bisherige
Umlagesystem nicht mehr bestimmungsgemäß funktioniert - die Renten werden zu
niedrig -, und deshalb eigentlich nach und nach in ein echtes
Versicherungssystem mit Rücklagen und individuellen Anrechten aus den
Beiträgen überführt werden müßte. Dabei zählt dann für die Einzelnen im
Unterschied zu heute jeder kleine Beitrag.
- Äußerst problematisch könnte in strengen Wintern die Streichung
des Heizkostenzuschusses sein - falls das tatsächlich so angewandt wird.
Im Winter 2011/12 traten schon
diesbezügliche Probleme auf.
- Verständlich und zum Ausgleich notwendig ist, daß nicht nur bei
einzelnen Bürger/ innen gespart werden soll, sondern auch in der staatlichen
Verwaltung selbst. Sonst würde es eine ständige Machtverschiebung weg von
den Menschen und hin zu deren bürokratischer Verwaltung geben. Ob der Umfang
dieser Maßnahmen finanziell ausreicht, ist eine andere Frage.
- Viel zu gering ausgefallen sind die Kürzungen im Bereich großer
staatlicher Prestigeprojekte (nur das Berliner Stadtschloss wurde
aufgeschoben). Es gibt genügend weitere umstrittene Projekte, die auch keine
nachhaltige Wirkung auf die Wirtschaft haben, und gestrichen werden könnten,
wie z.B. "Stuttgart 21": trotz Kosten für einen Ausstieg
kämen die umweltschonenden Alternativen mehrere Milliarden Euro billiger.
- Daß auch die Bundeswehrstruktur angegangen wird, ist insoweit
nicht zu kritisieren.
- Daß speziell Bildung und Forschung ungeschmälert wegkommen
sollen, ist im Bereich Bildung begrüßenswert. Im Bereich Forschung wird
dagegen manche Milliarde für wenig fruchtbare und umstrittene bzw. einseitige
Projekte verschwendet. Außerdem, wozu muß ein Land einen Beitrag an die "Euratom"
zahlen, das aus der Atomenergie aussteigen will (was unabhängig von der
Laufzeitendiskussion unbestritten war)?
Es ist also unter dem Strich Einiges kritikwürdig, aber wir sehen keinen
Anlaß, das Sparpaket u.a. pauschal als antisozial zu verdammen. Es wurde viel
Schlimmeres erwartet.
Durch die "Rettungsschirme" wegen
der Eurokrise werden viel stärkere Sparmaßnahmen nötig sein. S. dazu die Seite
über die Finanzkrise
(wird z.Zt. nicht mehr angeboten).
Für
den Umgang mit den Daten der Bürger ist es begrüßenswert, daß die in Wirklichkeit
bürokratiesteigernde bundesweite Zentraldatei mit Arbeitnehmerdaten
"ELENA" gestoppt wurde. Daß dagegen die "Elektronische
Gesundheitskarte" samt Internetdatei weiter verfolgt werden soll, obwohl
sie von Patienten und Ärzten abgelehnt wird, ruft Widerstand auf den Plan: das
Bündnis von 40 Organisationen "Stoppt die e-Card" empfiehlt
Kassenmitgliedern, vorsorglich der zentralen Datenspeicherung zu widersprechen,
falls sie eine neue Karte benötigen, und auch kein Foto mitzuliefern.
Betreffend der neuen Spionageskandale ist bisher über Reden hinaus nicht viel
an realen Tätigkeiten der Regierung oder des Bundestages zu bemerken.
Daß die Bundesregierung sich nicht direkt militärisch an der "Flugverbotszone" in Libyen beteiligte - die in Wirklichkeit ein Krieg mit hohen Risiken war - hat sein Gutes, obwohl die bedrohten Menschen Hilfe brauchten. Es ist schon seltsam, daß ausgerechnet aus der sonst so friedensorientierten Opposition heraus als Reflex plötzlich das Gegenteil gefordert wurde. Aber betr. Westerwelle: mit Afghanistan hat Libyen nichts zu tun. Inzwischen ist noch klarer erkennbar, dass der Krieg in Libyen unter dem Strich keine Verbesserung für die Sicherheit im Land gebracht hat, eher im Gegenteil.
Auswertung des Koalitionsvertrags der neuen CDU/CSU/FDP-Regierungskoalition
Der Text des Koalitionsvertrags der neuen CDU/CSU/FDP-Regierungskoalition
Unsere
Seite 2d.: Kommentar zum Koalitionsvertrag der Bundesregierung 2005-2009
.
Den
Koalitionsvertrag der CDU/CSU/SPD-Bundesregierung 2005-2009 selbst können Sie
hier herunterladen (PDF-Format, mit Begleittexten 191 Seiten, 618 kB).**
S.a. unsere Ausarbeitung über gemeinsame Schnittmengen aller möglichen Koalitionsarten;
Ein anderes interessantes Projekt: der "Demokratie-Spiegel" ist ein Monatsmagazin für Politik, Direkte Demokratie, Bürgerpolitik in Deutschland und Europa. www.demokratie-spiegel.de
Siehe auch den deutschen Bürgerrechtsblog http://www.netzpolitik.org
Eine Seite von Anderen, wo viele, oft kritische Beiträge von Bürger/ innen zu finden sind: http://www.ashampoo.de/esreicht .
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