Betrachtungen zum Zeitgeschehen


 

Bundestagswahl 27. 9. 2009 in Deutschland: 
Analyse, Einschätzung, Konsequenzen.

Die CDU/CSU wurde trotz Rückgang stärkste Fraktion. Sie hat u.a. von der gegenüber der SPD etwas vorsichtigeren, sparsameren Finanz- bzw. Wirtschaftspolitik in Deutschland profitiert. Jedoch hat sie durch ihre unter Angela Merkel der Sozialdemokratie angenäherte Politik, und durch die geradezu linke Familienpolitik von U.v.d. Leyen usw. einige konservative Stammwähler verloren. Es wäre im übrigen falsch zu glauben, die Bürger/innen könnten nicht zwischen einer Volksabstimmung und einer Parteienwahl unterscheiden: auch die Wähler/innen der CDU/CSU sind keineswegs besondere Freunde der Atomenergie, sondern haben die Partei aus anderen Gründen bevorzugt. Hier zusätzlich zu den voraussehbaren Spannungen der krisenhaften Lage einen neuen "Nebenkriegsschauplatz" aufzubauen, wäre der Partei bzw. Regierung sicher nicht besonders zu raten. Eher könnte die CDU sich an die ethischen Anliegen von Christen erinnern.
Die CSU hatte - nach ihren hohem Verlusten bei der bayrischen Landtagswahl - schon bei der Europawahl wieder etwas aufgeholt durch ihre in  der letzten Zeit eigenständigere Steuerpolitik in Deutschland, und durch ihre verstärkte Kritik am Zentralismus der EU, und die damit verbundene Volksabstimmungsforderung über den EU-Vertrag. Diese bevölkerungsnähere Haltung war mit bedingt durch die Sorge, eventuell nicht mehr ins EP zu kommen, und es wird zu beobachten sein, ob sie diese neue Haltung beibehält. Es bleibt ebenfalls zu beobachten, ob die CSU in einer Koalition eine sozialere Politik einbringt als die CDU.

Die FDP bekam zusätzlich taktische Stimmen, die zur Verhinderung einer Fortsetzung der Großen Koalition abgegeben waren. Bei anderen FDP-Wähler/innen spielten sachliche Überlegungen eine Rolle: daß die FDP - in der Opposition befindlich - die staatsorientierte Wirtschafts-, Steuer- usw. - Politik der SPD bzw. der großen Koalition in  Deutschland deutlich stärker kritisiert hat als die CDU; auch bestätigt dadurch, daß einige prominente FDP- Politiker vor dem Bundesverfassungsgericht immer wieder wirksam - und auf diese Weise öffentlichkeitswirksamer als die Grünen  - für Bürgerrechte und Datenschutz eingetreten sind. Von der FDP wird erwartet, daß sie den akuten bürokratischen Tendenzen stärker entgegenwirkt als andere Parteien, und daß sie verhindert, daß der Staat die Lasten der Finanzkrise den unschuldigen Bürger/innen aufbürdet. Die FDP wird von den wenigsten ihrer Wähler als Großindustrie- und Atom-Lobby gewählt, und sollte das bedenken, wie die CDU.

Die SPD konnte auch bei der Bundestagswahl mit ihrer letztendlich Viele betreffenden staatsorientierten Steuererhöhungspolitik und ihrer damit verbundenen noch mehr als Andere auf den Staat und auch auf ausgeweitete EU-Befugnisse setzenden Finanz- und Wirtschaftspolitik nicht überzeugen. Auch ihre Gesundheitspolitik in Deutschland liegt auf derselben Linie, und Einiges deutet darauf hin, daß auch diese eine Rolle spielt. Wegen der weiterhin bestehenden Altlast der Hartz-IV-Bürokratie konnte sie auch schon früher vergraulte Wähler/innen nicht zurückgewinnen. Die Verluste kommen also sowohl aus der Mitte als auch aus den sozial schwächeren Schichten. Auch die gesellschaftlich polarisierende Politik des linken Flügels der SPD, der den Positionen der Linkspartei entgegenkommt, nützt der SPD wenig. Nur Vorschläge, die direkt den Bedürftigen zugute kommen und ohne Steuererhöhungen realisierbar sind, wären zu empfehlen. Vielleicht wird die SPD von der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Bundesrat zur Bewältigung von Krisenfolgen weiterhin gebraucht, und könnte dabei ihre neue Rolle finden.

Den Bündnisgrünen kam wieder die ihnen zugetraute Kompetenz im Umwelt- und Verbraucherschutz und Energiepolitik zugute, die wegen Arbeitsplatzschaffung zumindest als ein Beitrag auch zur Wirtschaftslage wahrgenommen werden konnte - obwohl darin nicht automatisch eine umfassende Wirtschaftskompetenz gesehen wurde. Durch den Wahlkampf selbst haben sie offenbar nicht besonders profitiert, obwohl einige Umweltthemen eher akut sind; hier deutet sich an, daß auch das grüne Umfeld mit einigen anderen, im grünen Themenspektrum nicht ganz so ursprünglichen grünen Themen und Ansichten eher Schwierigkeiten hat (Steuererhöhungspolitik, Einwanderungspolitik, EU, inkonsequente Politik betr. Afghanistan). Diese Partei könnte ihre klassische staatskritische Seite wieder neu entdecken, und auch wieder in einigen Bereichen  technologiekritischer auftreten, um so ihr Potenzial zu nutzen.

Der Linken wird mindestens im Westen weiterhin nicht zugetraut, daß sie mit ihrer ausgeprägtesten Verstaatlichungs- und Anti-Reichen-Steuerpolitik die Lage bessern kann. Dennoch konnte sie sich angesichts ihres Eintretens für sozial Bedürftige, und ihrer teilweise EU-kritischen und den Afghanistan-Einsatz ablehnenden Haltung behaupten bzw. leicht zunehmen. Im Osten spielt die starke örtliche Verankerung der Partei eine Rolle, sowie eine weniger kritische Sicht der vor rund zwanzig Jahren beendeten DDR bei vielen Leuten; auch werden die dortigen einstigen PDS- Politiker als einschätzbarer und qualifizierter empfunden, gegenüber ihren westlichen Landesverbänden mit unklarer Zusammensetzung. Eine polarisierende, nicht auf die ganze Gesellschaft berechnete Politik wird auch der Linkspartei nicht auf Dauer helfen. Eher wären auf lange Sicht qualifizierte Vorschläge gefragt, z.B. wo der Staat sparen kann, ohne soziale Leistungen zu kürzen.

Europa-skeptische bzw. rechtsnationale bis nationalistische Parteien spielten in Deutschland schon bei der Europawahl keine große Rolle, obwohl etwa die Republikaner immerhin den nächsten Platz nach den Freien Wählern belegten. In anderen europäischen Ländern waren dagegen solche Parteien vorher schon deutlich vertreten, oder wurden bei dieser Wahl erheblich gestärkt. Die überall mehr oder weniger - auch in Deutschland - gestiegene EU-Kritik kam ihnen in diesen anderen Ländern zugute. Bei der schon kurz danach abgehaltenen Bundestagswahl hat sich in Deutschland noch nicht viel geändert.

Von den vielen weiteren Kleinstparteien hat es wieder keine in die Nähe der 5%-Klausel geschafft. Ob hier eine geringer gewordene Erfolgserwartung, oder die veränderten Themen im politischen Geschehen, oder neu kandidierende Gruppierungen eine Rolle spielten, ist kaum untersucht. Einen Achtungserfolg hat die "Piratenpartei" für Internetfreiheit erzielt.

CDU/CSU/FDP-Koalition Unter den heutigen Umständen auf Bundesebene: Gestärkt durch die Schwachpunkte der Anderen. Die eigenen Konzepte sind in ihrer Wirkung unsicher. Jedenfalls kann von einer solchen Regierung unter den bisherigen Möglichkeiten am ehesten erwartet werden, daß sie nicht die - in aller Regel an der Krise unschuldigen - Bürger/innen für die Krise zahlen läßt, sondern spart. Ob sie aber an den richtigen Stellen spart, ist eine andere Frage: soziale Kürzungen würden evtl. verstärkt weiterlaufen, falls diese Regierung unvorsichtig ist; ohne daß die erhofften Effekte für Arbeitsplätze dadurch automatisch eintreten. Allerdings ist bei diesen Parteien eine größere Behutsamkeit im Umgang mit der Finanzkrise bzw. Verschuldung zu beobachten. Betr. den Schutz der Bürgerrechte wäre nicht sicher, ob die FDP als Korrektiv allein stark genug wäre. Betr. der umstrittenen Atomenergie ist die Frage, ob diese Regierung - die es schon wegen der Krise schwer haben wird -, es wagt, sich einen solchen unnötigen "Nebenkriegsschauplatz" leisten möchte. Es ist unklar, wie bei weiteren internationalen kriegerischen Entwicklungen reagiert würde. Eine solche Koalition bedürfte - wenn sie nicht wirklich für alle Bürger/innen regieren will -  ebenfalls einer Korrektur durch Bürger/ öffentliche Diskussion/ oder durch einen veränderten Bundesrat, weil z.B. Wirtschaftsinteressen überwiegen und ökologische Fragen nicht ernst genommen würden. Die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat pflegen sich nach einer Bundestagswahl zu Ungunsten der auf Bundesebene regierenden Parteien zu verschieben. (z.B. auf Grund der NRW-Landtagswahl in 2010?)

 

Bundestags-Wahlprogramme: zur ausführlicheren Fassung mit sachlich-kritischen Hinweisen

Deutsche Europawahlprogramme: zur Kurzfassung

Zur Politik der deutschen Bundesregierung 2005-2009

Zur Diskussion über eine Vermögenssteuer und andere neue Steuern

Zur Diskussion über eine Bürgerversicherung".

Zur Diskussion über Atomkraftwerke

Zur Rolle des deutschen Afghanistan-Einsatzes bei der Bundestagswahl 2009.

Theoretische Koalitionsmöglichkeiten (ein Auszug s. oben, betr. schwarz-gelbe Koalition)

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